Ulrich Heinke

Bald von hier

"Bald von hier" las ich auf einem Aufkleber an einer Fensterscheibe des Ausstellungsgebäudes am Alexanderplatz.
"Bald von hier" als vage und relative Angaben zu Ort und Zeit erscheinen mir als Titel meiner Ausstellung in der allgirls gallery geeignet. Der Titel ist zuerst bloße Ankündigung: nichts erklärt sich. Während der Ausstellung wird der Unsinn zur Beschreibung meiner Vorgehensweise.
Präsentiert werden 24 Farbfotos im Format 30 x 45 cm, die als dichtes Band an der Galeriewand gezeigt werden. Das einzelne Bild steht so im Kontext der anderen Aufnahmen und kann nicht isoliert betrachtet werden.
Die Fotos entstehen feiertags in Berlin. Dabei ist der Ort nicht wichtig, es ist eine pragmatische Entscheidung dort zu fotografieren, wo ich auch lebe.

Ich verzichte auf die anekdotische "Anbietpackung" eines menschlichen Gegenübers im Bild. Gerne beziehe ich mich auf die Frage nach den Rezeptionsbedingungen von Fotografie, natürlich mit dem Wunsch, das sich dadurch ein beruhigender Freiraum für das Abgebildete bietet. Ich suche in der Stadt nicht nach den markanten Punkten des (sich) Wiedererkennens, sondern stelle die Fragen nach Motiv und Motivation für mich und den Betrachter immer wieder neu. Schnell entwickelt dieses Bildersuchen seine eigenen Konventionen, daß, was allgemein als "Stil" bezeichnet wird. Das Bild-er-finden gerät schnell an eine Grenze, an der kaum noch Entwicklung stattfindet. Da ich mir aber einen längeren Zeitraum gewählt habe, geht das Spiel weiter. Es entsteht ein weiterer Freiraum für die Fotografie: Überlistet von den eigenen Ansprüchen lebt es sich anscheinend am besten. So den "schwarzen Fleck" vor Augen, entsteht der Impuls jemand fragen zu wollen, was den auf meinen Fotos nun eigentlich zu sehen sei? So gibt es am Ende nur noch Verbesserungen und Feinabstimmungen, ganz in Analogie zu herkömmlichen (entropischen) Produktionsprozessen.

Das Experimentieren mit Fotografie beziehe ich nur auf das Finden von Bildern. Ich verzichte auf nachträgliche, (eigene) Manipulationen am Material. Ich benutze eine einfache Sucherkamera mit feststehendem Objektiv, handelsübliche Farbnegativfilme und das Fotogeschäft "um die Ecke". Eine "Kunstfotografie" interessiert mich nicht, ich benutze das Medium und ignoriere seine technischen Möglichkeiten. Als Fotograf trete ich für die Kamera in Funktion, ich betrachte Realität aus dem Blickwinkel des Apparates, so daß ein "gutes" Foto entstehen mag. Fotografie besitzt nichts Unmittelbares, Realität wird durch sie in Bedeutung überführt. Sie bildet weniger Dinge ab, eher schafft sie Sachverhalte. Texte über die Welt. Anbei noch einige...



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